Leichtstahlwagen - WAGI Museum

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Leichtstahlbauweise


Die bei Schlieren ab 1932 massgeblich entwickelte Leichtstahlbauart für Reisezugwagen, galt damals rasch als wegweisende Entwicklung im Waggonbau. In den zwanziger und anfangs dreissiger Jahre hatten die Wagenkonstrukteure auf Grund der strengen Vorschriften der Bahnen über Festigkeit, Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten usw. immer schwerere Wagen gebaut.

Für die damaligen schweizerischen Verhältnisse, zeigte diese Entwicklung unangenehme Folgen, da auf den steigungs- und kurvenreichen Strecken die notwendige Traktionsleistung immer grösser wurde. Der Auftrag einer Studie für eine neue Wagenserie mit vermindertem Wagengewicht gegenüber den schweren Stahlwagen, die rund 45 Tonnen wogen, einer um 5 km/h höheren Kurvengeschwindigkeit bei gleich bleibendem oder verbessertem Komfort erteilte der Zugförderungs- und Werkstättendienst der SBB im Jahre 1932 unserem Unternehmen.



v.l.n.r Fritz Halm und Robert Müller


Man suchte daher nach Mitteln und Wegen, um auch bei kleinerem Wagengewicht gute Laufeigenschaften und hohe Festigkeit zu erreichen. Wer damals als erster die zum Ziel führende geniale Idee hatte, den Wagenkasten als selbsttragendes knickfestes Rohr auszubilden, ist nicht mehr bekannt. Tatsache ist, dass der damalige Obermaschineningenieur Robert Müller und  sein Sektionschef für Wagenbau "Fritz Halm", in vielen Besprechungen gemeinsam die Grundlagen und Bediengungen schufen, dass Herr dipl. Ing. Karl Füchslin der SWS die komplizierte statische Berechnung durchführte und Oberingenieur Robert Müller der SWS der geniale Konstrukteur war.





Diese Männer haben natürlich nicht alles selber gemacht. Ein Stab tüchtiger Mitarbeiter war ihnen nach ihren Weisungen behilflich. Als der erste Wagenkasten im Rohbau fertig war, übernahm es die Brückenbausektion der Bauabteilung bei der Generaldirektion, an dem für damalige Begriffe sehr leichten Gebilde aus dünnen zusammengeschweissten Blechen statische Festigkeitsmessungen vorzunehmen.

Sie versicherte sich damals dazu der wissenschaftlichen und praktischen Mitarbeit der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Dort wirkte damals der weit über unsere Grenzen hinaus bekannte Statiker "Prof. Karner". Er ordnete für die Durchführung der ausgedehnten komplizierten Messungen seinen damaligen Assistenten "Hr. dipl. Ing. Wichser" (welcher später zu Generaldirektor der SBB wurde), nach Schlieren ab. Das Ergebniss war sehr befriedigend.



Der erste Wagen wog 24´950 Kg. Später kamen noch einige konstruktive Änderungen und Anpassungen dazu aufgrund unterhaltstechnischer und betrieblicher Wünsche. Die späteren Wagen hatten dann ein Gewicht zwischen 26´000 - 27´000 Kg. Die beteiligten Männer haben damals wohl kaum geahnt, welch grosser Erfolg ihren systematischen Überlegungen, Berechnungen und der damals modernen Konstruktion beschieden war. Die Leichtstahlwagen erfreuten sich sofort der Gunst der Reisenden dank der vorzüglichen Laufeigenschaften und der zweckmässigen gediegenen Ausstattung. Auch im schweren Dauerbetrieb bewährten sie sich vorzüglich.



Seit der damaligen Einführung der Blitzzüge Zürich - Genf und umgekehrt, die nur in Bern und Lausanne je 2 Minuten anhielten, hatte sich deren Frequenz so gesteigert, dass sie durch Anhängen weiterer Wagen zu schwer wurden, um die bereits damals sehr gespannte Fahrzeit einhalten zu können. Die SBB haben deshalb den Bau besonderer Leichtstahlwagen bei uns in Auftrag gegeben, für welche wir (wie oben erwähnt) bereits seit Jahren vorbereitende Studien durchgeführt sowie einen Prototypen erbaut haben. Am 28.Juni 1937 kamen die neuen Wagen in Betrieb. Sie sind für Typ B4ü (2. Kl) mit 28 Tonnen  gegenüber bisher 41 Tonnen um 32% leichter, für Typ C4ü (3.Kl) mit 27 Tonnen gegenüber 36 Tonnen um 25% leichter. Dabei ist der pro Sitzplatz verfügbare Raum um 13% grösser.

Bei dem für diese Leichtschnellzüge zulässigen Anhängegewicht von 150 Tonnen, konnten nunmehr gut 330 Sitzplätze geführt werden, statt bisher 210, also ein Fassungsgewinn des Zuges von gegen 60%. Die serienmässige Auslieferung erfolgte dann ab 1939. Die meisten dieser Wagen wurden Ende der 1940er- und Anfang der 1950er-Jahre gebaut. Um den damals hohen Bestelleingängen Herr zu werden, wurden die Leichtstahlwagen nach einheitlichen Zeichnungen der SWS nebst in Schlieren auch noch von folgenden Wagonbaufirmen gebaut.

Schweizerische Industrie Gesellschaft Neuhausen (SIG)
Schindler Waggon AG Pratteln (SWP)
Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein (FFA)

Schäden wegen ungenügender Festigkeit sind paraktisch keine vorgekommen. Die Leichtstahlwagen ermöglichten - zusammen mit den Re 4/4 l Lokomotiven - die Führung rascher Städtezüge mit um 10 kmh erhöter Kurvengeschwindigkeit. Dadurch und dank ihres niedrigen Gewichts konnten die Fahrzeiten vieler Reisezüge erheblich gekürzt werden. Das niedrige Zuggewicht brachte Einsparungen an Traktionsenergie und durch den kleinen Achsdruck wurde der Oberbau geschont.

Die ersten Drittklass-Leichtstahlwagen (C4ü) erhielten ihre Polsterung erst bei der ersten Hauptrevision. Sie hatten danach braune Kunstlederpolsterungen, spätere hatten diese schon ab Werk. Die roten/grünen Polsterungen für Raucher-/Nichtraucherabteile nach dem Vorbild des späteren Einheitswagen II erhielten die Wagen erst bei ihrer zweiten Hauptrevision in den 1970er Jahren.

Neben gewöhnlichen Glühbirnen für die Innenbeleuchtung hatten die Leichtstahlwagen älterer Epochen auch dunkelblaue Leuchten. Diese wurden anlässlich des Zweiten Weltkrieges montiert, damit Züge von der Luft aus schwierig zu entdecken waren. Sie wurden nie entfernt, so dass man noch in den 1990er Jahren diese «Kriegsausrüstung» bewundern konnte. Die letzten dieser Bauart wurden 1957 in Betrieb gesetzt. Es war ein zu den BDe 4/4 II passender Steuerwagen für die Gleichstromstrecke Genf–La Plaine

Bereits 1944 kamen weitere Neuerungen für die Leichtstahlwagen hinzu. Zur Disskusion stand bereits damals die Abschaffung der 3 Klasse. Vorallem im Hinblick auf den künftigen Einsatz für den internationalen Verkehr mussten Leichtstahlwagen für (1. Klasse) beschafft werden. So mussten die für den Auslandverkehr eingesetzten Wagen mit Seitengang und abschliessbaren Abteilen ausgerüstet sein, wie das schon üblich war.

Ebenfalls im Jahre 1944 lieferten wir dann für die damals mitbetriebenen Bahnen der BLS, namentlich der Spiez-Erlenbach-Zweisimmen Bahn (SEZ) und der Bern-Neuenburg Bahn (BN), die ersten drei Wagen von uns. Sie wiesen gleich viele Plätze wie die Wagen der Emmentalbahn auf, waren aber nur rund 18.8 Meter lang und wogen nur 22 Tonnen. Sie liefen auf Blattfeder-Drehgestellen, wie sie auch bei den SBB-Leichtstahlwagen zum Einbau kamen. Der Verzicht auf die Einstiegsplattformen in den Drittelspunkten, die Reduktion auf ein WC und die Verkürzung des Sitzabstandes um 8 cm pro Coupé (1600 mm statt  1680 mm) sparten bei gleicher Platzzahl 3.84 Meter Wagenlänge und rund 5 Tonnen Gewicht.

Die Emmentalbahn-Burgdorf-Thun Bahn (EBT) beschaffte 1945 von der SWS vier Leichtstahlwagen. 1955 lieferterte die SWS zwei BCF4 Nr: 226–227, also Wagen mit Polsterklasse, dritter Klasse und einem Gepäckabteil. Sie waren 22.62 Meter lang und wogen 26 Tonnen. Ausser den offenen Plattformen hatten sie zusätzlich in der Mitte einen Einstieg mit Flügeltüren.

In Schlieren wurden zwei Prototyp-Leichtstahlwagen für die Indischen Staatsbahnen gefertigt, welche 1951 zur Ablieferung gelangten. Der Aufbau gestallte sich am Anfang schwierig, da in Indien einerseits andere klimatische Verhältnisse herschten als hierzulande. Andererseits musste damals in Schlieren auch berücksichtigt werden, das auf dem indischen Streckennetz die Fahrzeiten generell sehr lange waren zwischen den Destinationen. Somit musste also auch ein Konzept eines  Standart - Leichtstahlwagen mit Schlafmöglichkeiten umgesetzt werden. Faktoren wie kleinere und vergitterte Fenster gehörten in Indien bereits  damals zum Sicherheitsstandart, um Personen davon abzuhalten in den Zug zu gelangen. Dennoch mangelte es anfänglich nicht an Kritik aus Indien. Eine Eigenart der Inder war damals allem Neuen eher etwas skeptisch gegenüber zu stehen.

Unmittelbar danach folgten die jährlichen Serieaufträge von je fünfzig Wagen, wobei in der zweiten Serie die Wagen ohne innere Ausstattung in Schlieren gebaut wurden. Insgesammt wurden in unseren Werken damals zweihundert Standart - Leichtstahlwagen der Bauart Schlieren an die indischen Staatsbahnen abgeliefert. Es wurde ähnlich zu den Stahlwagen das Blattfeder-Drehgestell SWS II übernommen, das für die letzte Generation schwerer Stahlwagen noch Verwendung gefunden hatte. Allerdings musste auch hier eine erhebliche Gewichtsreduktion seitens der SWS vorgenommen werden. Entstanden ist so das: Drehgestell SWS II L.

Mit den nachfolgend beschriebenen Gewichtsverminderungen konnte man das Gewicht von 5,5–6,5 Tonnen auf ungefähr 3,5 Tonnen verringern: Drehgestellrahmen, Drehpfanne, seitliche Kastenstützen, Wiegenlenker, Bremsgestänge, Beleuchtungsdynamo mit Kardanantrieb.

Wesentlich zu Buche schlug die Verwendung von Radsätzen mit hohlen Wellen und dünneren, doppelt gewellten Radscheiben. Gegenüber den vorher verwendeten Radsätzen mit einem Gewicht von 1150 bis 1250 Kg hatten diese nur noch ein Gewicht von rund 650 Kg. Aufbauend auf diesem Grundtyp wurden während der langen Bauzeit (20 Jahre) der Leichtstahlwagen weitere Drehgestelltypen entwickelt. Eine der wichtigsten Änderungen war dabei die Einführung der Torsionsstabfederung in der sekundären Federstufe. Die Anwendung der Torsionsstabfederung in der primären Federstufe hatte sich nicht bewährt und wurde deshalb nicht mehr weiterverfolgt. Bei der sekundären Federstufe wurden teilweise auch Schraubenfedern eingesetzt.



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