ICF - WAGI Museum

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Integral Coach Factory ICF - Eine Geschichte aus Schlieren


Die Integral Coach Factory ICF ist der grösste indische Hersteller von Schienenfahrzeugen. Die Firma ist Teil der Indian Railways. Die Wagonsfabrik Schlieren lieferte bereits 1955 die Technik für die ersten Wagen und war massgeblich am Bau der Waggonsfabrik Chennai beteiligt.

Heute beschäftigt das Unternehmen rund 13000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Integral Coach Factory, kurz ICF mit Sitz in Chennai Indien gehört heute zu einer der grössten Waggonbaufirmen der Welt. Mit über 50´000 abgelieferten Wagons- und Triebfahrzeugen hauptsächlich für den indischen und afrikanischen Markt, beschäftigt das von der SWS in den Jahren 1949 - 1955 massgeblich mitentwickelte Werk heute rund 13´000 Mitarbeitende.



Indien war während des Zweiten Weltkriegs die grosse Nachschubbasis der Allierten für alle fernöstlichen Feldzüge. Dadurch wurden unter anderem damals auch die indischen Eisenbahnen ausserordentlich stark in Anspruch genommen, ohne das eine Möglichkeit gegeben war die bestehenden Bahnanlagen, Lokomotiven und den Wagenpark dem notwendigen Unterhalt zu unterziehen. In der Folge bereisten indische Eisenbahnfachleute sowie auch der damalige Generaldirektor der indischen Staatsbahnen "K.C Bakhle" zwischen 1946 und 1948 einige Länder in Europa und Amerika, welche auf dem Gebiet des Rollmaterialbaus für die Eisenbahnen führend waren.



Im Sommer 1947 fand in Luzern ein internationaler Eisenbahnkongress statt, auch dort war eine Delegation der Indischen Staatsbahn anwesend. Zu dieser Zeit wurde vor allem die neue Leichstahlbauweise der SBB stark thematisiert. Die SWS war damals schweizweit führend im Bereich der Planung und Konstruktion von Leichtstahlbauweisen für Reisezugwagen.

Der Vertrag

Der von der SWS und Organen der SBB neu entwickelte Leichtstahlwagen überzeugte die Indische Delegation. Es hat aber noch ganze zwei Jahre umsichtiger Akquisitionsarbeit gebraucht, bis schliesslich am 28. Mai 1949 in Dehli, nach vorangegangenen Besprechungen in Bern und Schlieren mit dem damaligen Generaldirektor der indischen Eisenbahnen, ein Abkommen mit uns unterzeichnet wurde. Gemäss dem obenerwähnten Abkommen wurden der SWS damals für die nächsten Jahre Aufträge zur Produktion der neuen Standart-Leichtstahlwagentypen sowie Spezialwagen für Indien zugesichert. Im Gegenzug verpflichtete sich die SWS gegenüber der indischen Eisenbahnverwaltung ihr technischen Beistand zu leisten für den Bau einer eigenen Wagonfabrik in Perambur.



In dieser Fabrik sollten dan künftig ausschliesslich Personenwagen nach der Schlieren-Leichtstahlbauweise produziert werden. Bereits kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens, reiste eine Gruppe von Konstrukteuren aus Schlieren nach Dehli. Es galt den technischen Dienst der indischen Eisenbahnverwaltung beim Bau der neuen Wagentypen zu unterstützen, welche den besonderen indischen Bedürfnissen und klimatischen Verhältnissen angepasst werden musste.

Die künftig in indien produzierten Wagen mussten aber auch alle konstruktiven Vorteile der Schlieren - Leichtstahlbauweise aufweisen können. Dann kam der Bau von zwei Prototypen in den Werkstätten in Schlieren, welche Ende 1951 zur Ablieferung gelangten. Unmittelbar anschliessend folgten die jährlichen Serienaufträge von je fünfzig Wagen, wobei von der zweiten Serie die Wagen ohne innere Ausstattung gefertigt wurden.

Es hatte damals bei der Übernahme der ersten Wagen in Indien an Kritik nicht gefehlt, denn es gehört zur Eigenart der Inder, dass sie allem  Neuen eher etwas skeptisch gegenüberstehen. Schliesslich hatten sich  aber inzwischen unsere Wagen in Indien bereits während rund drei Jahren bewährt, so dass die Schlieren-Leichtkonstruktion auch in diesem fernen Lande in allen Ehren stand.

Parallel mit den Aufträgen wurden in Schlieren auch die notwendigen Projektstudien für die durch die indische Eisenbahnverwaltung in Aussicht genommene neue Wagonsfabrik in Arbeit genommen. In Zusammenarbeit mit Fachleuten der indischen Eisenbahnen reifte das Projekt, und nach verschiedenen Besuchen von Vertretern der SWS in Indien entstand ein definitiver Plan.

Dieser wurde für eine normale Jahresproduktion von 350 Drittklasswagen (ohne Innenausbau) ausgearbeitet und abgestimmt auf ein genau begrenztes Fabrikareal in Perambur, einem Vorort der Hafenstadt Madras, wo bereits eine Lokomotiv- und eine Eisenbahnwagen-Reparaturwerkstätte der indischen Eisenbahnen seit Jahren in Betrieb sind.

Im Frühling 1952 konnten die ersten vorbereitenden Bauarbeiten auf Grund unseres Projektes in Indien begonnen werden. Inzwischen sind sie bereits weit fortgeschritten und die Werkhallen grösstenteils unter Dach, so  dass mit der Montage der maschinellen Einrichtung begonnen werden kann. Für diesen Teil war Schlieren speziell verantwortlich, und das damals nach Indien delegierte SWS-Team setzte sich voll dafür ein, die anvertraute Aufgabe zu einem guten Ende zu führen.

Eindrücke des Werkbaus in Indien, niedergeschrieben vom damaligen Technischen Leiter Heinrich Saxer

Ich will versuchen, in einem kurzen Abriss die ersten Eindrücke festzuhalten, und mich dabei ausschliesslich auf die Fabrik beschränken. Es wäre falsch, nach den ersten Feststellungen ein Urteil zu fällen. Wenn immer auch die ersten Eindrücke richtungweisend, ja entscheidend sind, hier müssen wir vorsichtig sein, denn die Massstäbe, mit denen hierzulande gemessen wird, sind in allem und jedem verschieden von unsern herkömmlichen.

Das Werk ist gross, sehr gross. Dies ist  für mich nicht so überraschend, da ich im Jahre 1953 schon einmal auf diesem Areal gestanden bin und die Ausmasse überschaute. Aber die Anlage ist nicht einfach gross, weil etwa die Kastenbauhalle eine Länge von 300 Metern hat, weil man Stunden bedarf, um alle Hallen und Häuser zu sehen, weil dieses Werk so und so viele Millionen kostet, nein, nicht darum, sondern weil man zu gleicher Zeit die Mittel sieht, mit welchen alles entsteht.

Dies ist eine Beobachtung, hinter der alles andere zurücksteht. Die Mittel und die Methoden sind primitiv und oft von verblüffender Einfachheit. Verwendete Mittel und wachsendes Produkt sind Gegensätze seltener Art. Der Bauplatz erscheint mir als ein kopfloses Durcheinander, ein kreuz und quer, ein hin und her, ein Kommen und Gehen, ein Gestikulieren und Lärmen, scheinbar ohne Richtung, ohne Ziel. Doch mit etwas Phantasie kann man bescheidene Auswirkungen einer gelenkten Organisation sehen.


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